Landgericht Schwerin 4 O 529/06, Urteil vom 12.10.2007
Urteil
IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

F. T., xxxxxxxxxxxxxxxx

-Kläger-

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Jürgen Melchior Schweriner Straße 4, 23970 Wismar

gegen

1. Gemeinde B., vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch das Amt D., vertreten durch den Amtsvorsteher xxxx

- Beklagte -

2. Beschäftigungsinitiative xxxxxxxxxxxxxxxxxxx

- Nebenintervenient Beklagtenseite -

Prozessbevollmächtigte zu 1:

Rechtsanwälte xxxxxxxxxxx

Prozessbevollmächtigter zu 2:

Rechtsanwalt xxxxxxxxxxxxx

hat das Landgericht Schwerin, 4. Zivilkammer, durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. R. als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 05.10.2007 für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 557,81 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 530,74 € vom 16.09.2006 bis zum 04.10.2007 sowie auf 557,81 € ab dem 05.10.2007.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 81,43 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2007.
  3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  4. Die Kosten der Nebenintervention trägt der Nebenintervenient selbst.
  5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in der geltend gemachten Höhe begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die beklagte Gemeinde zu. Die Gemeinde ist verkehrssicherungspflichtig und haftet daher für Schäden bei den Mäharbeiten.

Gemäß § 10 Landesstraßengesetz Mecklenburg-Vorpommern ist die Verkehrssicherungspflicht öffentlich-rechtlich für den Betrieb der Landesstraßen und in Auftragsverwaltung auch für die Bundesstraßen. Da der fragliche Bereich innerhalb geschlossener Ortschaften liegt, ist die Gemeinde insoweit verkehrssicherungspflichtig. Die Verkehrssicherungspflicht umfasst auch die Mäharbeiten im Bereich des unmittelbar an die Fahrbahn angrenzenden Grünstreifens. Dass die Mäharbeiten in diesem Bereich und nicht etwa 30 m entfernt auf der Wiese stattgefunden haben, hat die Zeugin T. bekundet. Der Kläger hat insoweit auch Fotos von dem fraglichen Bereich vorgelegt, danach können diese Mäharbeiten nur zwischen Bereich Fahrbahn und Radweg stattgefunden haben, weil die weiter entfernte Wiese durch einen höheren Maschendrahtzaun abgegrenzt ist.

Durch diese Mäharbeiten ist die Frontscheibe des Fahrzeuges des Klägers beschädigt worden. Auch dies steht nach der glaubhaften Aussage der Zeugin T. fest. Diese hat bekundet, dass während der Vorbeifahrt an einem Arbeiter, der in dem fraglichen Bereich mit einer Motorsense beschäftigt war, ein solcher Stein in die Windschutzscheibe geflogen ist. Der Kläger hat auch entsprechendes Fotomaterial von der Beschädigung vorgelegt. Er ist im übrigen auch sofort zum Amt gefahren, nachdem er den vor Ort anwesenden Arbeiter informiert hatte, und der entsprechende Vorfall ist vom Amt auch entgegengenommen worden. Das grundsätzliche Bestreiten, dass ein solcher Vorfall überhaupt stattgefunden hat, hat der Nebenintervenient durch den Verzicht auf die Vernehmung des Zeugen K. fallengelassen.

Die beklagte Gemeinde kann sich hier auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie diese Arbeiten nicht selbst durchführe, sondern diese der Streitverkündeten übertragen habe. Grundsätzlich ist es zwar möglich, dass staatliche Stellen die ihnen obliegenden hoheitlichen Aufgaben durch Vertrag auf Private übertragen, so dass auch die Pflicht zur Verkehrssicherung durch Vertrag übertragbar ist (BGH, III ZR 58/80). Die den Träger öffentlicher Verwaltungen sonst treffende Verkehrssicherungspflicht wandelt sich dann jedoch zumindest in die Verpflichtung, die zur Sicherung des Verkehrs getroffenen Maßnahmen zu überwachen (BGH a.a.O.). Dass eine solche Kontroll- und Überwachungspflicht von der beklagten Gemeinde eingehalten worden ist, hat sich aber nicht erweisen lassen. Der Mitarbeiter des Amtes hat dazu ausgeführt, dass der Nebenintervenient Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durchführt, die mit den Gemeinden abgestimmt werden, wobei die Arbeiten durch den Nebenintervenienten selbständig ausgeführt werden. Kontrolle werde durch Gemeindearbeiter durchgeführt, die aber nicht ständig vor Ort sind. Der Nebenintervenient arbeitet sowohl mit eigenen Leuten, als auch mit eigenen Werkzeugen. Das genügt aber zur Einhaltung der Kontroll- und Überwachungspflicht nicht. Soweit der Nebenintervenient für solche Mäharbeiten eine Motorsense einsetzt, ist nach der Rechtsprechung zu fordern, dass solche handbetriebenen Handrasenmäher über einen Auffangkorb und einen seitlichen Blechschutz verfügen müssen sowie Mitarbeiter die zu mähende Fläche vorher nach Steinen absuchen müssen (OLG Celle, 8 U 23/06). Der Betrieb solcher Motorsensen ohne besondere Sicherungsvorkehrungen ist im Bereich einer Bundesstraße gefährlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich in dem hohen und dichten Grasbewuchs Steine befinden, die durch den Betrieb der Motorsense hochgeschleudert werden. Zwar sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht nicht derart hoch wie bei dem Mähen im innerstädtischen Bereich, die genannten Voraussetzungen müssen aber auch an jeder befahrbaren Straße eingehalten werden. Offenbar kümmert sich die Gemeinde nicht um die verwendeten Werkzeuge, weil sie der Ansicht ist, der Nebenintervenient erledige dies selbständig und eigenverantwortlich. Auch für diesen Fall muss aber die Gemeinde auf die Einhaltung der üblichen Standards bei solchen Mäharbeiten dringen und daher kontrollieren, ob die verwendeten Werkzeuge dem erforderlichen Sicherheitsstandard entsprechen, um Schädigungen Dritter zu vermeiden. Das ist hier offenbar nicht erfolgt; die gelegentliche Kontrolle durch einen Gemeindemitarbeiter ist dafür nicht ausreichend. Dem Privaten müssen schon konkrete Vorgaben gemacht werden, damit dieselben Sicherheitsstandards eingehalten werden, als wenn die Gemeinde selbst diese eigentlich ihr obliegenden Mäharbeiten vornehmen würde.

Soweit sich die Beklagte auf die Vernehmung des Zeugen M. beruft zu der Frage, ob entsprechende Kontroll- und Überwachungspflichten eingehalten worden sind, ist dieser Vortrag verspätet und dem Beweisantritt daher nicht nachzugehen. Es wäre ein erneuter Termin zur mündlichen Verhandlung des ansonsten entscheidungsreifen Verfahrens erforderlich, was die Verspätung begründet. Dass die beklagte Gemeinde nur die Zeugin benannt hat, die den Vorfall aufnimmt, nicht aber denjenigen, der die Kontrollpflichten wahrnimmt, gereicht ihr zu Lasten, denn das Gericht hat mit richterlicher Verfügung vom 15.08.2007 ausdrücklich aufgegeben, zur Kontroll- und Überwachungspflicht vorzutragen. Dann muss sie auch im Rahmen ihrer eigenen Sachverhaltsermittlung zum Vortrag erkennen, dass die Zeugin Kunert mit der Kontrollpflicht überhaupt nichts zu tun hatte.

Dem Kläger steht der Schadensersatz auch in dem geltend gemachten Umfang zu. Der Kläger hat nunmehr die Rechnung der Firma Autoglas vorgelegt, wonach die durchgeführte Reparatur einen Betrag von 512,81 € begründet. Daneben stehen dem Kläger auch die 20,00 € zu, die er für einen weiteren Kostenvoranschlag hatte aufwenden müssen, wobei er dieser Firma aber den Auftrag nicht erteilt hat. Auch insoweit ist ihm vom KSA aufgegeben worden, Kostenvoranschläge vorzulegen, so dass auch dieser Betrag zur Rechtsverfolgung notwendig ist. Die allgemeine Unkostenpauschale ist hier mit 25,00 € durchaus noch angemessen berechnet worden. Wenn auch der Schaden sehr gering ist im Vergleich zu üblichen Verkehrsunfällen, hat der Kläger dennoch erhebliche Laufereien gehabt, die durch diese Pauschale abgegolten werden müssen. Soweit die beklagte Gemeinde den Kläger auf seine Kaskoversicherung verweisen will, ist der Kläger nicht genötigt, diese in Anspruch zu nehmen. Die Kaskoversicherung soll den Versicherten davor schützen, dass er Schäden nicht selber tragen muss, die entweder durch eigenes Verhalten entstanden sind oder durch unbekannte Dritte. Da hier aber die Verantwortlichkeit der beklagten Gemeinde feststeht, kann diese sich nicht zu Lasten eines Dritten befreien.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 ZPO. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus Verzug.

Die Erstattung der vorgerichtlichen Gebühr in Form der Geschäftsgebühr ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nunmehr in voller Höhe anzuerkennen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.11, 713 ZPO.

Anlass, die Berufung zuzulassen, besteht nicht. Die Beschwerdesumme ist nicht erreicht, weil die Verfahrensgebühr nur eine Nebenforderung im Sinne von § 4 ZPO ist. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und weicht auch nicht von den Grundsätzen ab, die die Obergerichte bei der Verkehrssicherungspflicht bei Mäharbeiten aufgestellt haben.

Dr. R.
Vorsitzender Richter am Landgericht